Von der Ehe

Ihr wurdet zusammen geboren,

und ihr werdet auf immer zusammen sein.

Ihr werdet zusammen sein,

wenn die weissen Flügel des Todes eure Tage scheiden.

Ja, ihr werdet selbst im stummen Gedenken Gottes zusammen sein.

Aber lasst Raum zwischen euch.

Und lasst die Winde des Himmels zwischen euch tanzen.

Liebt einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel:

Lasst sie eher ein wogendes Meer zwischen den Ufern eurer Seelen sein.

Füllt einander den Becher, aber trinkt nicht aus einem Becher.

Gebt einander von eurem Brot, aber esst nicht vom selben Laib.

Singt und tanzt zusammen und seid fröhlich, aber lasst jeden von euch allein sein,

So wie die Saiten einer Laute allein sind und doch von derselben Musik erzittern.

Gebt eure Herzen, aber nicht in des anderern Obhut.

Denn nur die Hand des Lebens kann eure Herzen umfassen.

Und steht zusammen, doch nicht zu nah:

Denn die Säulen des Tempels stehen für sich,

Und die Eiche und die Zypresse wachsen nicht im Schatten der anderen.

 


(* 06.01.1883, † 10.04.1931)

 

Sarah Diehl schreibt im neuen Buch „Die Freiheit allein zu sein“ u.a. in der Einleitung:

 

Ich weiß, dass das Alleinsein wie eine bewußtseinserweiternde Droge wirken kann:

 

Sie verstärkt den Ist-Zustand, man kann ungestört wahrnehmen, welche Schönheit einen umgibt, muss aber auch begreifen, in welchem Käfig man sitzt.

 

Man kann sich nicht mehr ablenken, sondern muss ehrlich betrachten und sortieren, worin man sich verheddert, oder das Grundvertrauen finden, in das man eingebunden ist, um das Unvorhergesehene und Freischwebende auszuhalten oder genießen zu können.

 

Man ist mit den eigenen Bedürfnissen konfrontiert und muss sie eigenverantwortlich organisieren, eigene Standards setzen und somit schonungslos Normen hinterfragen. Man ist sich selbst ausgesetzt.“

 

Ich persönlich lebe jetzt schon bewusst mehrere Jahre allein und denke, vor sich selbst kann man nicht wirklich flüchten. Aber man kann sich betäuben mit Drogen, Alkohol, Einkaufen und anderen Süchten, die uns von unserem wahren Selbst entfernen und entfremden. Im Extremfall sind wir dann dem Verfall unterworfen und werfen unser Leben quasi weg. Wir leben es nicht wirklich, wir werden nur gelebt und von unseren Süchten gesteuert.

Das Alleinsein kann aber genossen werden sobald wir uns diese Freiheit erlauben entgegen den gesellschaftlichen Normen zu leben. Sobald wir uns nicht mehr erklären und entschuldigen dafür, dass wir gerne allein leben und es genießen. Es uns glücklich macht so zu sein wie es uns wirklich gut tut.

 

 

Bild „Am Fenster“ 2024 Pastellkreide auf Papier